Ursprüngliches Griechenland: Geheimtipp Insel Kasos
«Du wirst bestimmt der einzige Tourist sein!» antwortet mir Minas lachend, als ich ihm erzähle, dass ich nach Karpathos weiter auf die Nachbarinsel Kasos reise. Es sei schön dort und sehr ruhig, beteuert er mir.
Auch der 23-jährigen Manolis fragt mich wohin meine Reise nach Karpathos weitergehe: «3 Nächte auf Kasos? Das ist viel zu lange! Dort gibt es nicht viel zu sehen!» – erwidert er mir.
Ob ich mir wohl zu viel Zeit für die kleine Dodekanes Insel eingeplant habe? Und ob ich wirklich die einzige Touristin sein werde? Immerhin befinden sich im Haupt- und Hafenort Fri doch eine gute Handvoll Unterkünfte. Ich bin gespannt!
Während ich die riesige Fähre von Bluestar Ferries in Karpathos begehe, höre ich hauptsächlich Griechisch um mich herum. Trotzdem erspähe ich auch den einen oder anderen Nicht-Griechen in der Schlange und bin gespannt, wer alles mit mir aussteigen wird! Nach einer 1h und 15-minütigen Fährfahrt, komme ich schlussendlich auf einer der abgelegensten Inseln Griechenlands an. Die Nicht-Griechen bleiben sitzen.
Der letzte Gast sei heute Morgen abgereist. Ich bin allein und darf mir das Zimmer aussuchen. Vielleicht bestätigt sich Minas’ Prophetie vom alleinigen Touristen-Dasein wirklich noch. Die Tage werden es zeigen. In der familiengeführten Unterkunft fühle ich mich auf jeden Fall richtig wohl. Besonders freut mich die kleine (oder grosse!) Aufmerksamkeit eines Leckereien-Korbes der auf dem Küchentisch meines Apartments bereitsteht. Da greife ich gerne zu und geniesse mein Ankommen erst einmal mit Kaffee und Keks auf dem Balkon.
Nach der kleinen Kaffee-Pause mache ich mich auf, um den Dorfkern vom Hauptort Fri zu erkunden. Ich bin menschenseelenallein. Die Zeit auf Kasos scheint gerade still zu stehen. Vielleich liegt es an der Uhrzeit: 15.30 Uhr = Siesta Zeit? Nur ein paar Fischermänner sind gerade dabei ihre Boote bereit zu machen, um aufs Meer hinauszufahren. Ich geniesse die absolute Ruhe und lasse die maritime Schönheit von Fri ungestört auf mich wirken.
Nachdem ich bereits an einigen geschlossenen Tavernen vorbeispaziert bin, setze ich mich am hintersten Teil des kleinen Fischerhafens «Bouka» an einen der leeren Tische im Aussenbereich der Taverne von Sofia, die trotz dem Fernbleiben von Kundschaft geöffnet zu haben scheint. Die nette Frau, die mich bedient spricht kaum Englisch und zeigt mir auf der grossen Speisekarte, welche 5 Möglichkeiten zurzeit wirklich zu haben sind. Ich wähle eine davon aus, ohne wirklich zu verstehen, was ich gerade bestellt habe. Kurz darauf wird auch der Tisch neben mir besetzt. Die vier Personen im höheren Alter scheinen von der Insel zu sein, auf jeden Fall grüssen sie die Tavernen-Besitzerin beim Namen. Bei frisch serviertem Kaffee wird nun darüber geredet, welche neuen Früchte und Gemüsesorten es im Supermarkt gerade zu kaufen gibt. Mehr des griechischen Kaffee-Klatschs kann ich nicht verstehen.
Den Supermarkt besuche ich auch gleich auf dem Rückweg zu meiner Unterkunft. Am Eingang sitzt ein älterer Herr, den ich locker 90-jährig schätzen würde. Er fragt mich, ob ich italienisch spreche, ich muss verneinen. Der freundliche Mann hat bestimmt vieles auf der kleinen Insel miterlebt. Kasos wurde nämlich erst 1948 nach dem zweiten Weltkrieg und dem Abzug der italienischen Besatzung mit Griechenland vereint. Gerne würde ich mir seine Geschichten anhören, wäre da nicht die Sprachbarriere.
Im Gegensatz zum überraschenden Grün der Nachbarinsel Karpathos, trifft man auf Kasos wieder auf das in den Dodekanes altbekannte karge Landschaftsbild. Die Felseninsel mit langjähriger Seemannstradition ist gute 66 qkm gross und bewohnt heute noch ca. 1100 Einwohner. Dass hier früher viel Landwirtschaft betrieben wurde, bezeugen die vielen, heute aufgegeben terrassierten Flächen. Wie auf anderen griechischen Inseln hat auch auf Kasos eine enorme Abwanderung stattgefunden. Die Versorgungsschwierigkeit und Wasserknappheit macht das Leben auf Kasos sicherlich nicht einfach. Trotz allem ist die Freundlichkeit der Zurückgeblieben eine Eigenschaft der Insel, die die geringe touristische Infrastruktur und das Fehlen von wirklichen Sehenswürdigkeiten direkt wieder wett macht! Und auch wenn die Grossen touristischen Sehenswürdigkeiten fehlen, überrascht Kasos immer wieder mit kleinen Details und überraschenden Unterhaltungsmöglichkeiten wie einem vom rauen Klima geprägten Kicker am Hafen oder einer Fitnessanlage zwischen Palmen und Meer. Gerade für Hobby-Fotografen wie mich ist es schwer vom Fleck zu kommen da sich immer wieder irgendwo ein kleines Detail findet, dass einen Schnappschuss wert ist. Dazu gehören zum Beispiel verlassene Gebäude, wild wuchernde Pflanzen, Strassenkunst oder ein vom Wind zerzaustes Kätzchen.
Strände auf Kasos
In Fri gibt es 2 Strände: einerseits gleich neben dem Hafen einen kleinen Kiesstrand und etwa 10 Gehminuten davon entfernt einen wunderschönen Sandstrand. Genau genommen ist der Sandstrand nicht mehr in Fri selbst sondern in Emporio, aber dass man sich da schon in einer neuen Ortschaft befindet, habe ich erst später bemerkt. Geschützt durch die Mauern des alten Handelshafens, ist dieser Strand in den Sommermonaten der perfekte Badeort und ein Platz zum Verweilen. Ich kann mir nur erahnen, wie wunderschön transparent und kristallklar das Wasser an windstillen Tagen sein muss. Selbst während Sturm und aufgewühltem Meer schimmert das Türkis des Wassers traumhaft zwischen den schäumenden Wellen hindurch. Gekrönt wird die Szenerie durch einen Leuchtturm am Ende des Hafens.
Restaurantempfehlung: Taverne Milos
Eins wollte ich auf Kasos: Dolmades essen! Mir wurde im Vorfeld erzählt, dass die griechische Spezialität auf jeder Insel leicht anders zubereitet wird. Auf Kasos werden die Weinblätter hauptsächlich mit Hackfleisch und etwas Reis gefüllt und haben eine zitronige Note. Unglaublich lecker! Zudem werden die handgerollten Dolmades hier in Miniatur-Form serviert. Anstelle von einem Weinblatt pro Dolmades wie üblich, verwendet man in der kasosischen Version nur ein halbes Blatt dafür. Das traditionelle Essen geniesse ich in der Taverne von Mylos in windgeschützter Aussenlage mit Panoramablick über den Hafen von Fri. Das Lokal scheint beliebt zu sein: neben meinem Tisch sind zur Mittagszeit noch weitere 3 Tische besetzt. Fast schon viel los für Kasos! Die griechisch sprechenden Männer scheinen sich alle zu kennen und das alleinige Touristen-dasein meinerseits scheint sich auch hier nicht zu ändern. Das Gespräch am Tisch neben mir wird laut und hitzig als ein weiterer Mann mit rauer Stimme sich dazugesellt der sich hauptsächlich von seinen Zigaretten ernährt. Ich bin froh meine Dolmades bereits verspeist zu haben und verlasse das Lokal glücklich und gesättigt.
Und dann passiert es: auf dem Rückweg zu meiner Unterkunft überhöre ich aus dem Fahrersitz eines parkierten Autos, ein englischsprachiges Telefonat! Mission alleiniges Touristen-dasein gescheitert!
Heute sind die Strassen einiges belebter als am Tage meiner Ankunft! Immer wieder düst ein Motorrad an mir vorbei, die Ladenbesitzer sitzen am Eingang ihrer Geschäfte und sind in Gespräche mit Bekannten verwickelt und aus den Gärten und Verandas der Häuser folgen mir neugierige Blicke nach.
Trotz dem mediterranen Klima, kann ich mich mit dem starken Wind der mir hier dauernd um die Ohren weht nur schwer anfreunden. Da das Thermometer Mitte Oktober nur noch knapp 20 Grad übersteigt, ist es auch bereits etwas frisch. Mit kurzen Hosen und Flip-Flops wird es wohl nichts mehr. Ich schaue schmunzelnd zu wie die Primarschüler in der Schule oberhalb meiner Unterkunft, unbekümmert auf dem Pausenplatz ihre Basketball-Körbe schiessen – als würde nicht gerade ein Windsturm von 45 km/h toben. Aber das scheint für sie wohl normal zu sein.
Gerade das raue, maritime Flair aber, ist was mir hier besonders gefällt. Dass Kasos eine Seefahrtsinsel ist, ist unverkennbar. Trotzdem bin ich auch froh nach einigen Tagen wieder gehen zu können; die windige Wetterlage ist auf die Dauer nichts für mich. Ich kann mir aber vorstellen, dass diese Thematik in den Sommermonaten eine ganz andere ist. Da wird man bei Temperaturen um die 30 Grad Celsius sicherlich ganz froh sein über die Erfrischung durch den Wind.
«10.10 Uhr Abflug? Ok, dann fahren wir um 09.20 Uhr los.» – sagt die nette Besitzerin meiner Unterkunft. Ich einige mich mit ihr auf 09.00 Uhr Abfahrtszeit, denn auch wenn es nur 5 Minuten Anfahrt sind, macht mich das ungewohnte knapp an den Flughafen fahren doch etwas nervös! Der Mann der Besitzerin fährt mich. Er zeigt mir den kaputten Zaun rund um die Landebahn. Anscheinend streiten sich zwei Bauunternehmer um den Auftrag, darum zieht sich der Start der Reparatur noch etwas in die Länge. Wie lange so etwas in Griechenland dauern kann, möchte ich lieber nicht wissen. Einmal am Flughafen angekommen merke ich, dass selbst 09.20 Uhr Abfahrt grosszügig kalkuliert war. In der Eingangshalle sitzt nur ein einziger Mann, sonst ist der Flughafen leer. Hinter dem Check-in Schalter lächelt mich eine Frau freundlich an und händigt mir mein Ticket aus: «Have a nice flight!»
Es ist 09.15 Uhr und ich muss nur noch durch die Sicherheitskontrolle. Die Sicherheitskontrolle ist unbesetzt. Ich warte erst einmal auf den Angestellten, währenddessen langsam weitere Fluggäste am Flughafen eintreffen. Gemütlich schlendert der bärtige Polizist zur Maschine, die mein Gepäck scannen soll. Wortlos stellt er das Gerät erst einmal an und murmelt mir nach 2-minütiger Aufstartzeit und anschliessendem Durchwinken durch den Körperscanner, freundlich etwas auf Griechisch zu. Wahrscheinlich wünscht er mir einen guten Flug. Nun sitze ich im Warteraum mit direktem Blick durch die dreckige Scheibe auf das kleine Propellerflugzeug von Sky Express und freue mich auf den Flug! 5 Minuten vor Abflug geht auf einmal alles ruckzuck: die nette Frau vom Check-in Schalter zieht die Boarding-Karten aller Reisenden wieder ein, die Türen öffnen sich und ich laufe zusammen mit 8 weiteren Passagieren zum Hinterteil des kleinen Flugzeugs, das kurze 6-stüfige Treppchen hinauf und «zack» schliesst die Klappe auch gleich hinter mir zu. Kaum in meinem Sitz schliesst die alleinige Flight Attendant noch kurz die Cockpit-Türe, verkündet die Sicherheitsinstruktionen und schon sind wir mit einem starken Ruck zum Start bereits in der Luft.
Der Flughafen liegt direkt am Meer. Was für eine traumhafte Aussicht aus dem kleinen ovalen Fenster! Gerade mal seit einer Minute in der Luft kommt schon die Meldung aus dem Cockpit: «Cabin Crew, please prepare for landing.» Ich fliege nach Rhodos. Nach 10-minütiger Flugzeit erfolgt schon wieder die Landung. Zuerst einmal in Karpathos, wo weitere Passagiere aufgeladen werden. Hier warte ich 30 Minuten mit direktem Blick ins wieder geöffnete Cockpit, bis die Reise weitergeht. Das griechische Flugerlebnis im Propellerflugzeug, fühlt sich für mich an wie ein sonst sehr teuer zu bezahlendes Tagesausflugserlebnis. Und was für die 3 Griechen, die mit mir mitwarten bis das Flugzeug wieder in die Luft abhebt, langweilige Routine ist, ist für mich Aufregung und Abenteuer pur! Was für ein perfektes Ende dieser Kasos Reise, ich habe mich nicht umsonst darauf gefreut!
Unterkünfte auf Kasos
Mein Unterkunftstipp: Blue Sky
👍 familiengeführte Unterkunft
👍 griechische Gastfreundschaft
👍 das Ehepaar spricht gutes Englisch
👍 zentrumsnahe Lage
👍 Ruhe und Idylle
👍 grosszügige, gut ausgestattete und sehr saubere Apartments
👍 gutes Preis-Leistungsverhältnis
Fazit: Ist Kasos einen Besuch wert?
Absolut!
Ich empfehle mindestens 1 Nacht auf Kasos zu bleiben und selbst 3 Nächte sind auf keinen Fall zu viel. Kasos ist die richtige Insel für dich, wenn du Ursprünglichkeit liebst, einen Hang zur Seefahrt hast, Ruhe geniesst und dich nicht daran störst, dass die Kommunikation mit den Einheimischen grösstenteils in Griechisch und nur wenig Englisch (oder manchmal italienisch) stattfindet.
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* dieser Beitrag wurde im Jahr 2022 erfasst, die darin enthaltenen Informationen können sich ändern.